Sexualität

Über die reine Intimität hinausgehend verstehen wir unser Projekt auch als sexpositiv und körperpositiv. Hilfreich fanden wir dabei die Herangehensweise der Radical Faeries, die für sich einige gute Grundlagen zum Umgang mit Nacktheit und Sexualität in ihrer Gemeinschaft gefunden haben.

Zusammenfassend lässt sich sagen:
· Sexualität gilt als etwas Willkommenes und darf mit anderen geteilt werden.
· Sexuelle Anziehung und Vorliebe richten sich immer für Dich, Ablehnung niemals gegen Dich.
· Alle Gefühle und Wahrnehmungen, auch der Verletztheit, düfen ihren Raum haben.
· Sexualität geschieht ausschließlich einvernehmlich. Es gibt keinen Druck, mitzumachen.
· Sei offen für Nacktheit, aber sei so angezogen wie Du willst!
· Sei achtsam und liebevoll mit Dir und Deinen Grenzen sowie den Grenzen und Wünschen Deines Gegenübers.

Theoklymenos zeigt mit einigen Erklärungen wie diese Dinge im „Faerie Space“ funktionieren. Netterweise hat er uns die Erlaubnis gegeben, aus seinem Buch „How to be a faerie?“ zu zitieren:

Sexpositive Treffen
Sexualität […] ist ein natürliches, heiliges Geschenk, das frei und glücklich unter uns gefeiert wird. Sexualität gilt als etwas, dass mit anderen geteilt werden darf. Sex hat seinen Raum in privaten Hütten, Zimmern oder Zelten. Manche mögen es in der Natur auf Wiesen oder in Wäldern, abhängig davon, ob es von Fremden außerhalb eines Treffens bemerkt werden kann oder nicht.

Manche Faeries bevorzugen einen einzigen Sexualpartner, manche mehrere. Vielleicht auch zur gleichen Zeit. Manche Faeries haben überhaupt keinen Sex bei den Treffen, aus welchen Gründen auch immer. Vielleicht ist Sex nicht wichtig für sie. Oder sie sind in einer monogamen Beziehung und ihr Partner ist zu Hause. Oder sie fühlen sich zu niemanden in der Versammlung hingezogen. Manche mögen andere Faeries, sind aber zu schüchtern, um den ersten Schritt zu tun. Andere haben vielleicht Probleme mit dem Sex – mit Ausnahme derjenigen, die überhaupt keinen haben.

Faeries respektieren sich gegenseitig in ihrer Menschlichkeit. Wir behandeln uns nicht als Sex-Objekte – es sei denn, jemand ist eindeutig auf ein entsprechendes erotisches Spiel aus. Es gilt, achtsam zu sein und dich und andere gut aufzupassen! Sonst kann passieren, dass Signale missverstanden oder Grenzen ungewollt überschritten werden. Sei dir dessen bewusst: Jeder ist für sich selbst verantwortlich. Alles ist erlaubt, solange es in gegenseitigem Einvernehmen geschieht. Was eindeutig ein Muss ist: ein „Nein“ ist ein „Nein“. Als Ausnahme gilt, es ist Teil eines sexuellen Spiels, bei dem Grenzen und ein Sicherheitswort zwischen den beteiligten klar definiert sind. Selbstverständlich werden Missbrauch oder Vergewaltigung in keiner Weise toleriert!

Es kann eine sexuelle Anziehung oder Vorliebe von einzelnen für einige andere geben. Das kann mit verletzenden Gefühlen der Ablehnung durch wiederum andere einhergehen. Mach Dir bewusst, dass Du genau wie jeder andere das Recht hast zu wählen, zu wem Du Dich hingezogen fühlst oder mit wem Du Sex haben möchtest. Sexuelle Anziehung oder Vorliebe drückt sich im positiven Sinne für das gewählte Gegenüber aus und richtet sich niemals in verletzender Weise gegen jemand anderen. Auch wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass andere sich zurückgewiesen oder verletzt fühlen. Unser Raum ist immer auch das wirkliche Leben. Wir müssen lernen, mit der Erfahrung zu leben, dass wir uns abgelehnt fühlen, wenn es um körperliche Liebe, Intimität und Sex geht.
In der äußeren heteronormativen, patriarchalischen Welt können wir uns schnell gedrängt oder gezwungen fühlen, Intimität und Sex mit Menschen zu haben, mit denen wir es nicht wollen. […] Das kann eine Menge Druck ausüben und verletzte Gefühle oder Traumata verursachen. In unseren Räumen wollen wir der Sexualität keine Unterdrückung auferlegen.
Von Dir wird nicht erwartet, dass Du Dich zu jedem anderen Teilnehmer sexuell hingezogen fühlen oder mit allen anderen Intimität und Sex haben wollen. Es ist keine Beleidigung, „Nein“ zu sagen. Und niemand muss sich für sein „Nein“ rechtfertigen.

Radical Faeries nutzen viele Möglichkeiten, sich mit anderen auf körperlicher Ebene zu verbinden. Meistens hat das keine erotische oder sexuelle Bedeutung. Wir halten uns gerne an den Händen und umarmen uns gegenseitig als Ausdruck unserer Liebe, die tief aus dem Herzen kommt. Eine Ausnahme machen diejenigen, die sich nicht gerne berühren lassen oder berührt werden. Oder nicht von jedem. Das ist völlig ok so. Sei also achtsam!

Manche mögen es, anderen Faeries zu kuscheln. Oder sie liegen auf einer Matratze dicht bei anderen und halten und berühren sich gegenseitig in der Gruppe („Welpenhaufen“). Andere kommen vielleicht etwas später mit dazu. Manche brauchen einige Zeit und beobachten tagelang bevor sie schließlich sicher sind, dass sie sich wohlfühlen. Es gibt immer ein erstes Mal für alles. Probier es einfach aus, es wird dir nicht wehtun. Es sei denn, das ist überhaupt nichts für Dich. Dann lass es einfach und halte Dich zurück.

Love Temple
Ein Love Temple ist ein gemütlicher, geschützter Ort für Intimität, Liebe und Sex. Der Raum ist normalerweise von Faeries, die ihn einrichten, wunderschön dekoriert. Wir können dort unsere körperliche Liebe teilen. […] Manchmal gibt es angeleitete Rituale und Angebote, damit die Grenzen in Bezug auf Intimität, Nacktheit und Sex mit anderen in einer liebevollen Art und Weise erfahren und möglicherweise erweitern werden können. […] Wenn Du an einem Ritual teilnehmen möchtest, sei Dir immer der Zustimmung bewusst und sei respektvoll in Bezug auf die Grenzen von Dir selbst und den anderen. Es gelten dieselben Regeln wie für Intimität und Sex im Allgemeinen: ein „Nein“ ist ein „Nein“.

Love Temple und Rituale können erstaunlich, fabelhaft und heilend sein. Wenn man sich darauf einlässt. Sie können sehr intensiv oder beängstigend sein. Oder verletzend, wenn du dich zurückgewiesen oder nicht respektiert fühlst. Manche Faeries nehmen aus welchen Gründen auch immer, nicht am Love Temple oder Liebesritualen teil. Das ist natürlich in Ordnung.
Es gibt keinen Druck, mitzumachen. Und keine es braucht keine Rechtfertigung.

Nacktheit
Wenn du an einem Treffen teilnimmst, wirst du dich vielleicht wundern, dass einige Faeries nackt herumschwirren – außer denen, die das nicht möchten. Die meisten Treffen sind optional ohne Bekleidung. Das hängt natürlich von der Umgebung ab, in der sie stattfinden. In unseren eigenen Räumen ist Nacktheit üblich. Das einzige No-Go ist es dann, nackt in der Küche zu sein oder mit nacktem Hintern auf den Stühlen zu sitzen.
An gemieteten Orten kann es mehr Regeln geben, wann und wo Nacktheit erlaubt ist. Wir sehen in Nacktheit eine Möglichkeit, unsere Körperscham zu überwinden. Einige behalten selbstverständlich ihre Kleidung an, aus welchen Gründen auch immer. Einige öffnen sich während eines Treffens und fühlen sich dann frei, sich auszuziehen.
Es gibt niemals Druck, nackt zu sein [und braucht keine Rechtfertigung, wenn nicht]. Alles ist erlaubt. Sei so, wie du willst. Auch wenn bei einigen Angeboten Nacktheit erwünscht ist (Körpererfahrung, erotische Massage, Kundalini Yoga) [werden sich Möglichkeiten finden, die auch für Dich funktionieren].